Gifte & Toxine der Pfeilgiftfrösche

Wissenschaftliche Fakten zu Batrachotoxin und anderen Alkaloiden



Pfeilgiftfrösche (Dendrobatidae) zählen zu den giftigsten Wirbeltieren der Erde – allerdings nur in ihrem natürlichen Lebensraum. Die leuchtenden Farben dienen als aposematische Warnung (Warntracht) an potenzielle Fressfeinde und signalisieren: „Ich bin giftig, lass mich in Ruhe!"

Der deutsche Name Färberfrosch für Dendrobates tinctorius (lat. tinctorum = gefärbt) geht auf eine Legende zurück: Guyana-Indianer sollen Papageien grüne Schwanzfedern gezogen und die Stelle mit Froschgift bestrichen haben, woraufhin angeblich rote Federn nachwuchsen. Diese Praxis wurde nie wissenschaftlich nachgewiesen.


Nahrungskette: Wie entsteht das Gift?

Das Gift der Pfeilgiftfrösche ist kein körpereigenes Produkt, sondern wird über die Nahrung aufgenommen und im Körper gespeichert oder modifiziert. Die Giftquelle liegt am Anfang der Nahrungskette:

  • 1. Giftige Pflanzen

    Im subtropischen Regenwald produzieren bestimmte Pflanzen toxische Alkaloide.

  • 2. Gift-resistente Insekten

    Käfer, Termiten, Milben und Ameisen fressen diese Pflanzen und speichern das Gift in ihrem Körper.

  • 3. Immune Pfeilgiftfrösche

    Frösche fressen diese Insekten und akkumulieren das Gift. Manche Arten können es enzymatisch modifizieren (z.B. Pumiliotoxin → Allopumiliotoxin).

  • 4. Giftausscheidung

    Bei Stress können Frösche das Gift über Hautdrüsen ausscheiden.


Funktion des Hautgiftes

Das Hautgift erfüllt mehrere wichtige Funktionen:

  • Schutz vor Fressfeinden: Die aposematische Färbung warnt Prädatoren vor der Giftigkeit.
  • Antimikrobielle Wirkung: Schutz der empfindlichen Haut vor Bakterien und Parasiten.
  • Osmotische Regulation: Unterstützung der Hautatmung und Feuchtigkeitsregulierung.

Die wichtigsten Alkaloide (Giftstoffe)

AlkaloidVorkommenWirkungLetale DosisGiftlieferant
Batrachotoxin (BTX)Phyllobates-ArtenLähmt Muskeln und Atmung0,002 mg/kgSpezielle Käfer
Pumiliotoxin (PTX)Dendrobates, Ranitomeya u.a.Muskelkrämpfe, ÜbelkeitSelten tödlichMilben, Ameisen
Allopumiliotoxin (aPTX)Dendrobates (modifiziert)Stärker als PTXVariabelEnzymatisch umgewandelt
Histrionicotoxin (HTX)Oophaga histrionica u.a.Neuromuskuläre BlockadeVariabelAmeisen, Käfer

Besonderheit: Dendrobates-Arten besitzen das Enzym Pumiliotoxin 7-Hydroxylase, das das aufgenommene Pumiliotoxin (PTX) in das deutlich giftigere Allopumiliotoxin (aPTX) umwandelt.


Die drei tödlichen Arten

Den Namen Pfeilgiftfrösche verdankt die Familie nur drei Arten der Gattung Phyllobates, die von kolumbianischen Indigenen zur Vergiftung von Blasrohrpfeilen verwendet werden:

Wissenschaftlicher NameDeutscher NameGiftigkeitVerwendung
Phyllobates terribilisSchrecklicher BlattsteigerExtrem hoch (tödlich)Blasrohrpfeile
Phyllobates bicolorZweifarbiger BlattsteigerSehr hoch (tödlich)Blasrohrpfeile
Phyllobates aurotaeniaGoldstreifen-BlattsteigerHoch (tödlich)Blasrohrpfeile

Alle anderen freilebenden Dendrobaten (über 250 Arten!) sind zwar ebenfalls giftig, aber in den seltensten Fällen tödlich für Menschen. Bei Kontakt über Schleimhäute oder offene Wunden können jedoch Symptome wie Ausschlag, Fieber, Übelkeit, Krämpfe, Magen-Darm-Vergiftungen und Muskelzuckungen auftreten.


Traditionelle Giftgewinnung

Um an das begehrte Gift zu gelangen, wurden die Frösche von den Indigenen „gestresst": Sie wurden aufgespießt oder über Feuer gehalten, damit sie das Gift über die Hautdrüsen ausscheiden. Heute wird diese Praxis nur noch von sehr wenigen Stämmen ausgeübt.

Die vergifteten Pfeile wurden früher nicht nur zur Jagd, sondern auch in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Stämmen verwendet.


Gegengifte (Antidote)

Die Forschung zu Gegengiften ist noch nicht abgeschlossen. Folgende Substanzen werden diskutiert:

  • Tetrodotoxin: Mögliches Gegengift zu Batrachotoxin (ebenfalls ein starkes Gift!).
  • Epidatidin: Befindet sich noch in der Forschung, vielversprechend als Schmerzmedikament.

Andere Tiere mit Batrachotoxin

Neben Pfeilgiftfröschen gibt es auch einige Vogelarten aus Neuguinea, die über Homobatrachotoxin verfügen. Als Giftlieferant wurden ebenfalls bestimmte Käfer, Termiten und Milben identifiziert:

TierTypGiftRegion
ZweifarbenpitohuiVogelHomobatrachotoxinNeuguinea
BlaukappenflöterVogelHomobatrachotoxinNeuguinea
Wald-DickkopfVogelBatrachotoxinNeuguinea

Die TOP 5 giftigsten Tiere der Welt

Im weltweiten Vergleich belegt Phyllobates terribilis Platz 4 der giftigsten Tiere:

PlatzTierTypRegion
1
Seewespe (Chironex fleckeri)QualleNordaustralien
2
Inland Taipan (Oxyuranus microlepidotus)SchlangeAustralien
3
Sydney-Trichternetzspinne (Atrax robustus)SpinneAustralien
4
Schrecklicher Blattsteiger (Phyllobates terribilis)FroschKolumbien
5
Kugelfisch (Diodon nichthemerus)FischWeltweit (Tropen)

Umgang mit Terrarientieren

Empfehlungen für den Umgang:

  • Berührungen nur mit sterilen Händen (vorher gründlich waschen)
  • Besser: Puderfreie Einweghandschuhe verwenden
  • Unfreiwillige Berührungen nur wenn unbedingt nötig (z.B. bei Tierarztbesuch)
  • Keine Cremes, Parfüms oder Seifenreste an den Händen

Häutung bei Pfeilgiftfröschen

Auch Frösche häuten sich – nicht nur während des Wachstums, sondern lebenslang. Da tagaktive Frösche dies jedoch in den sehr frühen Morgenstunden tun (bevor das Licht angeht), sind sie selten dabei zu beobachten.

Die Tiere fressen ihre alte Haut direkt nach dem Häuten. Wer dieses „Mahl" das erste Mal in den Mundwinkeln der Frösche sieht, ist oft entweder angewidert oder bekommt (aus Unwissenheit) Angst um seine Tiere. Dieses Verhalten ist jedoch völlig normal und dient der Rückgewinnung von Nährstoffen.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Sind Pfeilgiftfrösche aus Terrarien giftig?

Nein. Nachzuchten sind von Geburt an ungiftig. Selbst Wildfänge verlieren ihre Giftigkeit innerhalb kurzer Zeit in Gefangenschaft, da sie keine giftigen Futtertiere mehr aufnehmen können.

Woher kommt das Gift der Pfeilgiftfrösche?

Das Gift stammt ausschließlich aus der Nahrung. Bestimmte Pflanzen enthalten Toxine, die von Kleinstinsekten (Käfer, Milben, Ameisen) aufgenommen werden. Diese Insekten werden von den Fröschen gefressen, die das Gift speichern und modifizieren.

Welche Pfeilgiftfrösche sind wirklich tödlich giftig?

Nur drei Arten der Gattung Phyllobates: P. terribilis (schrecklicher Blattsteiger), P. bicolor (zweifarbiger Blattsteiger) und P. aurotaenia (Goldstreifen-Blattsteiger). Diese werden von indigenen Völkern zur Giftgewinnung für Blasrohrpfeile verwendet.

Warum heißen sie "Pfeilgiftfrösche"?

Der Name stammt von der Nutzung durch kolumbianische Indigene, die das Gift der drei tödlichen Phyllobates-Arten zur Vergiftung von Blasrohrpfeilen verwenden. Von über 250 Dendrobatidae-Arten werden nur diese drei tatsächlich für Pfeile genutzt.

Welche Funktion hat das Gift in der Natur?

Das Hautgift dient zum Schutz vor Fressfeinden (aposematische Färbung als Warnsignal) und zum Schutz der empfindlichen Haut vor Bakterien und Parasiten.

Kann man Pfeilgiftfrösche anfassen?

Terrarientiere sind ungiftig, dennoch sollten Berührungen nur mit sterilen Händen oder puderfreien Einweghandschuhen erfolgen – zum Schutz der empfindlichen Froschhaut, nicht des Menschen.

Gibt es Gegengifte?

Für Batrachotoxin wird Tetrodotoxin als mögliches Gegengift diskutiert. Epidatidin befindet sich noch in der Forschung. In der Praxis sind Gegengifte selten verfügbar.